Das Bestreben, Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), weiterhin dauerhaft von der Blutspende auszuschließen, hat über die Wissenschaft gesiegt.
7. August. Die Bundesärztekammer stellt heute die neue Hämotherapie-Richtlinie der Öffentlichkeit vor. Wir haben die neue Richtlinie auf unserer Webseite dokumentiert (klicke unten auf "mehr"). Dazu erklärt Axel Hochrein, Sprecher des „Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland“:
"Die Beratung der neuen Hämotherapie-Richtlinie hat sich sieben Jahre lang hingezogen. An ihr waren viele Gremien, viele hochkarätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und das Bundesgesundheitsministerium beteiligt. Das Papier ist gleichwohl - zumindest im Hinblick auf MSM - wissenschaftlich nicht haltbar.
Offenbar hat das Bestreben, MSM weiterhin möglichst dauerhaft von der Blutspende auszuschließen, über die Wissenschaft gesiegt. Nach dem Wortlaut der Richtline werden zwar MSM nur noch ein Jahr lang nach dem letzten Sexualverkehr (?) von der Blutspende ausgeschlossen. Aber die Verfasser der Hämotherapie-Richtlinie sind natürlich davon ausgegangen, dass ein gesunder homosexueller Mann niemals ein Jahr lang zölibatär leben kann und wird, um dann endlich Blut spenden zu dürfen.
Um MSM weiterhin dauerhaft von der Blutspende auszuschließen zu können, haben die Verfasser der Richtlinie alle MSM zu einer einheitlichen Risikogruppe zusammengefasst, die sämtlich dasselbe hohe Übertragungsrisiko haben. Das ist nicht nachvollziehbar.
Die Gruppe der MSM, die beim Sexualverkehr Kondome benutzen oder andere Formen des Safer Sex beachten, hat mit Sicherheit ein weitaus geringeres Übertragungsrisiko als die Gruppe der MSM, die das nicht tun. Warum man die erste Gruppe nicht in die Gruppe für "nicht hohes" Risikoverhalten mit der in Deutschland üblichen Rückstellfrist von 4 Monaten eingeordnet hat, wird weder in der Hämotherapie-Ricchtlinie noch in den anderen Papieren erläutert.
Dasselbe gilt für die Gruppe der MSM, die in einer monogamen Partnerschaft leben. Sie werden in keinem der Papiere erwähnt. Man tut einfach so, als ob sie dasselbe Übertragungsrisiko hätten wie promiske MSM, die unsafe mit anderen Männern verkehren.
Die medikamentöse HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) ist von den Verfassern der Richtlinie überhaupt nicht bewertet worden, weil sie in Deutschland nicht zugelassen sei. Tatsächlich ist die europäische Zulassung der PrEP mit Tenofovir/Emtricitabin (Truvada®) schon Mitte des vergangenen Jahres erfolgt.
Für die vorurteilsbehaftete Vorgehensweise der Verfasser der Richtlinie spricht auch, dass sie weiterhin auf "Risikogruppen" abstellen, statt auf Risikoverhalten, was der LSVD schon seit Jahren fordert . Deshalb ist auch die Risikogruppe „heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern“ falsch beschrieben. Es kommt nicht darauf an, ob heterosexuelle Blutspender häufig wechselnden Geschlechtsverkehr hatten, sondern ob dieser safe oder unsafe war. Außerdem reicht auch ein einmaliger unsafer Geschlechtsverkehr z.B. mit einer Prostituierten als relevantes Risiko aus.
Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung, dass die Gerichte die neue Richtlinie korrigieren. Vom CDU-geführten Bundesgesundheitsministerium ist wohl keine Hilfe zu erwarten."
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist ein Bürgerrechtsverband und vertritt Interessen und Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI). Gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt – wir wollen, dass LSBTI als selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Normalität akzeptiert und anerkannt werden.
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