Freitag, 19. April 2024

Jasmin-Revolution auf Chinesisch? Das Protestpotential in China

2. Veranstaltung aus der Reihe „Freiburger China-Gespräche“

Wie wird China sich verändern? Wie wird es seine Weltmacht ausbauen und stabilisieren können und wie wird es mit zunehmenden Protesten innerhalb der Bevölkerung umgehen? Diese und weitere Fragen lockten am Dienstag Abend rund 150 Zuhörer zur zweiten Veranstaltung aus der Reihe "Freiburger China-Gespräche" ins Historische Kaufhaus. Eingeladen dazu hatten das China Forum Freiburg e.V., das Konfuzius-Institut Freiburg und die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, die die "Freiburger China Gespräche" ins Leben gerufen haben.

In seinem Vortrag „Jasmin-Revolution auf Chinesisch? Das Protestpotential in China“ stellte Thomas Heberer, Politikwissenschaftler und Lehrstuhlinhaber für Politik / Ostasien der Universität Duisburg-Essen, heraus, dass von „dem China“ nicht gesprochen werden kann. China ist kein homogenes System, sondern vielmehr ein „fragmentiertes Mosaik“, das sich aus vielen Profilen unterschiedlicher Städte und Landkreise zusammensetzt. Heberer unterscheidet zwischen einer „destruktiven Fragmentierung“ in Peking und einer „konstruktiven Fragmentierung“ außerhalb der Stadt. In Peking und anderen Großstädten ist ein wachsender Pessimismus unter den Intellektuellen zu spüren, auf dem Land hingegen sind die Lösungen lokaler Probleme größer als das politische Reformbestreben. Professor Heberer meint: „Die Transformation des Ländlichen Raums ist die größte Herausforderung Chinas“ und bezeichnet das Land als „Entwicklungsstaat“, welches – im Gegensatz zum Entwicklungsland - in der Lage ist, „Entwicklungen von oben nach unten durchzuführen, notfalls mit Gewalt“.

Steht China vor einer Revolution? Diese Frage beantwortet der Politikwissenschaftler und Kenner Chinas mit einem klaren „Nein!“. Die große Mittelklasse sei kein Träger von Systemwandel und die Bevölkerungsmehrheit ist zufrieden. Sie präferiere die politische Stabilität gegenüber einem kurzfristigen Regimewechsel. Dennoch müsse ein friedliches Konfliktmanagement entwickelt werden, bei dem der Staat „als politischer Unternehmer“ und „Architekt“ auftritt. Die Wahrung der Stabilität - im Sinne der Anpassung an die Veränderungsprozesse –wird dabei das Kernziel sein.

Als zweite Referentin stellte Kristin Kupfer, die bei Heberer studierte und nun als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Sinologie an der Uni Freiburg tätig ist, fünf Trends vor, die das Potential von Protesten in China verstärkt haben. Innerhalb der zunehmenden Fragmentierung der Gesellschaft baut sich ein zunehmender Druck auf den Parteistaat auf. Das „reichere China“, so Kupfer, ist frustriert über die fallenden Immobilienpreise (als Anleger) und die hohen Steuerabgaben. Das „ärmere China“ (vor allem die Bauer auf dem Land) hingegen spürt die Unzufriedenheit über Enteignung, Gebührenerhöhung und schlechte Arbeitsbedingungen. Kristin Kupfer ist der Ansicht, „dass es immer schwieriger wird, soziale Kompromisse zu finden.“

Die anschließend von der Freiburger Professorin für Sinologie, Nicola Spakowski moderierte und spannend verlaufende Diskussion ließ erkennen, wie viele Fragen sich durch die anregenden Vorträge und Problemfelder Chinas entzündeten.

Die Vortragsreihe „China als Zukunftsfrage“ wird am 23. Januar 2012 mit der Fragestellung „Modell China? Peking setzt neue Maßstäbe“ fortgesetzt. Termin: 18.30 Uhr im Kaisersaal, Historisches Kaufhaus.

Eintrag vom: 15.12.2011