Samstag, 21. Dezember 2024

Amtsantritt von Joseph Wirth am 10. Mai vor 100 Jahren

Reichskanzler aus Freiburg gilt als Verfechter der Demokratie und der Weimarer Republik
Berühmte Reichstagsrede nach der Ermordung Walther Rathenaus: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. (…) Dieser Feind steht rechts“
Oberbürgermeister Martin Horn und Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach gedenken des Politikers

Mit einer Kranzniederlegung erinnern die Stadt Freiburg und die Joseph-Wirth-Stiftung am 10. Mai an den Regierungsantritt des aus Freiburg stammenden Reichskanzlers Dr. Joseph Wirth vor 100 Jahren. Gemeinsam mit Vertretern der Stiftung werden Oberbürgermeister Martin Horn und der Erste Bürgermeister Ulrich von Kirchbach Joseph Wirth gedenken.

Joseph Wirth war ein herausragender Politiker und Verfechter der Demokratie in der jungen Weimarer Republik. Ohne Vorbehalt hatte sich der 1879 in Freiburg geborene Zentrumspolitiker 1918 für die Abschaffung der Monarchie und dem Aufbau eines parlamentarischen Systems eingesetzt. Er wirkte in der Badischen und in der Weimarer Nationalversammlung an der Erarbeitung der Verfassungen für das Land Baden und für das Deutsche Reich mit.

Bis zu seiner Ernennung zum Reichskanzler am 10. Mai 1921 hatte Wirth, ehemals Gymnasialprofessor für Mathematik am Freiburger Realgymnasium, eine beachtliche politische Laufbahn hinter sich: Vor dem ersten Weltkrieg wurde er als Mitglied des Bürgerausschusses und Stadtverordneter in Freiburg gewählt, 1913-1914 war er Mitglied des Badischen Landtags, 1914-1918 Mitglied des Reichstags, 1918-1920 Badischer Finanzminister. 1920 berief ihn der ebenfalls aus Freiburg stammende Zentrumspolitiker Constantin Fehrenbach als Reichsfinanzministers in sein Kabinett. Am 10. Mai trat Wirth die Nachfolge Fehrenbachs als Reichskanzler an. Mit 41 Jahren war er der jüngste aller Reichskanzler.

Seine Amtszeit war von schweren politischen Verwerfungen und zugleich von mutigen Entscheidungen geprägt. Den Reparationsforderungen der Siegermächte setzte er eine klug kalkulierte „Erfüllungspolitik“ entgegen. Mit der Sowjetrepublik suchte er 1922 im Vertrag von Rapallo wechselseitige Anerkennung, politischen Ausgleich und wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Die aktive Verteidigung der Demokratie hat er stets zum Credo seines politischen Handelns gemacht. Er forderte „in jeder Stunde Demokratie“, wie er es in seiner berühmten Reichstagsrede am 25. Juni 1922 formulierte, einen Tag nach der Ermordung seines Außenministers Walther Rathenau. Scharf prangerte er die Hetzkampagnen rechtsnationaler und militaristischer Kreise gegen das parlamentarische Regierungssystem und gegen demokratische Politiker an und verurteilte das System des politischen Mordes. In seiner politisch klugen und weitsichtigen Rede, die Geschichte geschrieben hat, rief er die Bürger zur Verteidigung der Republik auf und beschwor die Vision eines demokratischen und sozialen Staatswesens. Seine Rede gipfelte in dem Satz: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts“.

Wirth blieb bis zu seinem Tod 1956 ein überzeugter Demokrat und Anhänger des Parlamentarismus. Seine politische Biografie liefert eine Reihe von Anlässen, die über den zeitgeschichtlichen Kontext hinausweisen bis in die Gegenwart.

Eintrag vom: 05.05.2021