Der Schein trügt (c) 2021 Neue Visionen
Serbien/Mazedonien 2021, 128 Minuten, ab 16
Regie: Srdjan Dragojevic
Darsteller: Goran Navojec, Ksenija Marinkovic, Bojan Navojec, Milos Samolov
Die Geschichte von Stojans Aufstieg ist nur der spektakuläre Auftakt zu Srdjan Dragojevics in drei Episoden geteilte Satire, in dem neben scheinheiligen Heiligenscheinen auch die lange Leitung zu Gott und essbare Kunstwerke eine Rolle spielen. Dem PARADA-Regisseur gelingt eine so furiose wie groteske Bestandsaufnahme des postsozialen Europas – eine hinterlistige, äußerst kurzweilige und sehr schlaue Abrechnung mit der Macht der Bilder und der Lust an der Projektion.
Stojan ist ein unbescholtener Mann, fürsorglicher Familienvater und sehr bescheiden. Ein Kurzschluss der Glühbirne bringt ihm unverhoffte Erleuchtung: ein Heiligenschein ziert plötzlich Stojans Haupt. Er wird zu der Attraktion in der Nachbarschaft und stellt das beschauliche Leben seiner Familie auf den Kopf. Stojans Frau Nada ist vom Trubel schnell genervt. Das Ding muss weg und eine Mütze ist bekanntlich keine Dauerlösung. Nachdem auch gründliches Haarewaschen nichts bringt, verdonnert sie ihren Mann zu einem ausgiebigen Curriculum in Sachen Sünde. Ein bisschen Völlerei hier, ein wenig Ehebruch dort. Von derlei Tricksereien lässt sich der edle Nimbus nicht beeindrucken. Stojan ackert sich durch alle Todsünden – und findet schließlich Gefallen an der Grausamkeit. Und nicht nur er. Je herzloser Stojan seinen Vorteil ausnutzt, umso bereitwilliger wird er von den Nachbarn als moralische Instanz akzeptiert – der schöne Schein überstrahlt auch noch den schlimmsten Frevel... Eine wilde Satire mit anarchischem und teils ziemlich rabiatem Humor von bissig bis bitter, die in zahllosen unerwarteten Wendungen von Gewinnern und Verlierern im neokapitalistischen, postsozialistischen Europa erzählt – als skurriler Beitrag zur Zeitgeschichte oder, je nach Betrachtungsweise, auch als episodenhafte Mischung aus Fantasy, Science Fiction und Farce. Eine durchaus anspruchsvolle und nicht immer leicht durchschaubare Aufarbeitung von mehr als 30 Jahren Balkan-Historie – in einer ideenreichen, cineastischen Melange aus Blasphemie und Gottesglaube, Sozialkritik und Balkanromantik, Zärtlichkeit und Brutalität.
Läuft in der Harmonie Freiburg, Montag 15 Uhr
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